Kinderstress – Risiko, Schutz und Bausteine für innere Ausgeglichenheit

Morgens vor dem Schwimmunterricht kann Lisa ihren Badeanzug nicht finden ... und das Wasser im Hallenbad ist sowieso immer zu kalt.
Bei Benjamin sind mehrere Gänge zur Toilette nötig ... und aus heiterem Himmel möchte er heute unbedingt zusammen mit Alex (einem Nichtschwimmer) in einer Gruppe sein – das sonst völlig unter seiner Würde ist.
Was ist los? Heute soll der Sprung vom Ein-Meter-Brett geübt werden; für Lisa und Benjamin eine beängstigende Situation mit emotionaler Reaktion.

Kinder ab dem 2. Lj. haben häufig “Angst”. Bis in das 1./2. Grundschuljahr wird jede für sie undurchsichtige Situation, auf deren Ausgang sie keinen Einfluss nehmen können, mit “... habe Angst” bezeichnet. Sehen Kinder ihre grundlegenden Bedürfnisse nach Unversehrtheit und Sicherheit in Gefahr, reagieren sie mit Angst vor Ungewissem. Dass diese Angst eintritt, ist eine normale Entwicklungsaufgabe, die zu bewältigen ist. Denn wenn sich bei älteren Kindern logisches Denken und Nachvollziehen von Zusammenhängen stärker herausbilden, lernen sie auch zu differenzieren, wann ihre Grundbedürfnisse wirklich unerreichbar scheinen – und wann sie eine Chance zur Gegensteuerung haben. Sie lernen, mit Angst umzugehen. So der normale Entwicklungsverlauf.

Pathologische Angststörungen gehören in die Hände von Medizinern und Psychologen und bedürfen therapeutischer Behandlung.

Aber: Was ist schon “normal”? Welcher Entwicklungsverlauf entspricht genau dem in der Entwicklungspsychologie als “normal” beschriebenen?

Es gibt vielmehr eine Vielzahl an sozialen und wirtschaftlichen Belastungen, die vermehrt Gefühle des Ausgeliefert-Seins auslösen können – zu seelischen Bürden werden — und letztlich körperliche Beschwerden mit sich bringen. Da gibt es zum einen Kinderängste, die aus dem familiären Umfeld herrühren:

  • Angst vor dem Verlust der Lebensgrundlage für ihre Familie (materielle Existenzangst)
  • Angst vor Streit zwischen den Bezugspersonen; bis hin zum Verlust eines Nah-Menschen und damit auch Angst vor dem Verlust der Geborgenheit, welche die Familie bislang gab (emotionale Verlustangst; Trennungsangst). Trennungskinder sind einer Vielzahl von Stressoren ausgesetzt (= wiederkehrende Überforderungen); im schlimmsten Fall: einseitig vereinnahmt durch bewusste / unbewusste Verunglimpfungskampagnen des jetzt allein Erziehenden gegen den entfremdeten Elternteil (mit Bindungsbrüchen zu einem Großelterpaar) und seelischen Belastungen:
  1. zunächst: Entfremdungssyndrom;
  2. im späteren Lebensverlauf: wenig feinfühlig; d. h. anderen keine Nähe geben können / selbst keine Nähe annehmen können (schwierige Vertrauensprozesse);
  3. eventuell Depression.

Alles in allem: Trennungskinder haben ein erhöhtes Risiko für Verhaltens- und Sozialprobleme.

Da gibt es zum anderen Kinderängste, die aus schulischen Situationen herrühren:

  • Angst, den Erwartungen bezügl. der Schulleistungen nicht gerecht zu werden (Versagensangst) bis hin zu:
  • Angst, wegen Nichterfüllung der Erwartungen (seitens der Eltern) nicht mehr geliebt zu werden (Verlustangst)
  • und Angst, in gruppendynamischen Prozessen des Klassenverbandes ausgegrenzt zu werden (Angst vor Ausgrenzung).

Neben diesen psycho-sozialen Reizen können auch physische Reize Reaktionsmuster der Angst hervorrufen; wie Lärm, extreme Hitze / Kälte und Gewalt / Missbrauch (selbst ausgesetzt oder beobachtend).

ANGST

löst ein ganz spezifisches, spontanes Muster der Körperfunktionen aus:
eine Alarm-Reaktion / Notfallreaktion /Sofortreaktion läuft ab im vegetativen Nervensystem, beginnend im Gehirn (d. h. ausgehend vom “Gefahrendetektor” Amygdala … entlang der Hypothalamus-Hypophysen-Achse); weiter entlang des Rückenmarks (d. h. über die Nervenstränge des Sympathikus) – willentlich nicht beeinflussbar: mit vegetativen Veränderungen in Nerven, Hormonen, Muskeln und Skelett, inneren Organen, Stoffwechsel, Emotionen und kognitiven Prozessen.

Lisa und Benjamin können ihre Alarm-Reaktion vor dem Sprung vom Ein-Meter-Brett nicht verhindern. Zunächst rast das Erschrecken durch das ganze Gehirn – danach erst kann vom präfrontalen Kortex (als Kontrollstation der Amygdala) ausgehend, eine entwarnende Umbewertung aus dem Stirnhirn die Alarmreaktion stoppen.
Jedoch: Lisa und Benjamin finden den Weg dorthin nicht ohne die Hilfe vertrauter Menschen. Zusammen mit ihnen lernen sie allmählich Strategien kennen, sich selbst zu beruhigen und den Sprung als überwindbare Hürde einzuschätzen:

Copping-Strategien anstatt Ausweichmanövern.

STRESS

entsteht dann, wenn die Alarm-Reaktion zu häufig auf den Plan gerufen wird. Dann kommt es zur Überforderung des Organismus.
Bei Dauerstress entsteht ein chronischer Überforderungszustand mit eng aufeinander folgenden Alarm-Reaktionen ohne Entspannungsphasen; mit schädigenden bio-chemischen Auswirkungen auf alle Körperfunktionssysteme – auch bei Kindern. Wenn die Zwischenphasen nicht zu entspannendem Tun genutzt werden, sondern man Kreisgedanken um das Stressige nachhängt, wirkt das steigernd wie beim Schmerzgedächtnis; hier: Stressgedächtnis mit “Auslöser”.

Stress hinterlässt Spuren im Gehirn: Stress-Spuren im Gehirn
Mit Hilfe bildgebender Verfahren (funktionellem Neuroimaging) sind heute die schwerwiegenden Folgen visualisierbar, die bei Kindern auftreten können, wenn sie jahrelanger Über-Belastung ausgesetzt sind und kein fürsorgliches Bindungsverhältnis zu mindestens einem Erwachsenen aufbauen können.

Abbildung 1
Hirnquerschnitte Positronen-Emissions-Tomografie (PET)

Legende
hoch aktive Areale – rot, gelb, orange / normale Hirnfunktion – blau /
niedrige Aktivität – dunkelblau / ohne Aktivität – schwarz /

links: Mädchen 9;6 J. mit dem Erscheinungsbild einer frühkindl. Deprivation; die ersten 2 1/2 Jahre in einem rumänischen Waisenhaus des Ceausescu-Regimes verbracht; fehlende Frontalhirn- u. Schläfenlappenvernetzung (pathologische Veränderungen in den Hirnstrukturen); rechts: Mädchen 10;6 Jahre aus normaler häuslicher Umwelt

Stresserlebnisse wie Vernachlässigung, Misshandlungen, Traumata führen zu mangelhafter Vernetzung frontal + schläfenwärts mit Beeinträchtigungen:

  • kognitiv: verminderte Fähigkeit zur Handlungsplanung (präfrontaler Kortex);
  • sprachlich retardiert / kein Rhythmusgefühl / erschwerte Synchronisation von Sprache + Bewegung (Broca schläfenwärts)
  • herabgesetzte Konzentration u. Merkfähigkeit (verkleinerter und auf Rezeptorebene veränderter Hippocampus)

WIE DAS?

  • Bei Kindern, die in der Frühphase keine liebevolle Betreuung erfahren, ist das Anti-Stress-Gen dauerhaft blockiert; d. h. die zum Gen gehörigen Protein-Rezeptoren sind blockiert und das Anti-Stress-Gen kann nicht arbeiten (= ist biochemisch abgeschaltet); folglich: Sie können sich schlecht beruhigen; “geraten immer wieder aus dem Häuschen”; denn sie entwickeln keine Widerstandskraft. Das als bedrohlich Bewertete rast immer wieder ungebremst durch das Gehirn und schaltet den Sympathikus ein.
    Diese Anti-Stress-Blockade besteht auf Jahre hinaus; so der Mediziner und Neurobiologe Joachim Bauer am Universitätsklinikum Freiburg, 2010.... mit erhöhtem Risiko für psychosomatische Erkrankungen und Depression, sowie kardiovaskuläre Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen im späteren Leben.
  • Stress schaltet außerdem Nervenwachstumsfaktoren im Hippocampus ab: verkleinerter u. vermindert funktionaler Hippocampus.

Auch in unserer Gesellschaft erfahren nicht wenige Kinder Desinteresse, anregungsarme Umgebung, einseitige Strenge, Distanz, Gewalt oder sind Zeuge häuslicher Gewalt, was den gleichen extremen Stress bedeutet und können nicht genug Widerstandsfähigkeit gegenüber belastenden Ereignissen aufbauen.
Wiederholte Erfahrungnen (positiv wie negativ) mit seiner nahen Mitwelt verinnerlicht ein Kind. Sie werden in den Gedächtnisstrukturen seines Gehirns als geistige Repräsentationen festgeschrieben mit affektivem und kognitivem Beigeschmack – stets wieder abrufbereit: ... bis zum Ende des 1. Lebensjahres als einzementierte Erfahrungsmuster; relativ änderungsresistent (so der Heilpädagoge Otto Speck von der Universität München, 2008).
Dauer-Stress verursacht vielerlei psycho-vegetative Veränderungen. Der Organismus zeigt häufig ein vielschichtiges Symptombild mit falschem Essverhalten, Fettleibigkeit (Adiopsitas), Bluthochdruck; somatischen Störungen wie Magen-, Darm- und Nierenproblemen, Herzrhythmusstörungen; Wirbelsäule- und Fußdeformationen durch stressbedingt falsche Körperhaltung.

Beispiel: Adipositas und der fatale Zucker-Fett-Zyklus
Oder: Wie kommt es zu Speckröllchen und einem Diabetes mellitus bei Dauerstress?

  • Zum einen setzt Dauerstress einen Zucker-Zyklus in Gang (3-fach): Durch die Unterfunktion der Bauchraum-Organe schüttet die Bauchspeicheldrüse weniger Insulin aus; der Blutzuckerspiegel steigt. Außerdem wird mehr Glukose bereit gestellt durch den erhöhten Zuckerabbau in den Muskeln (Körper stellt sich auf Mehrverbrauch für Flucht oder Kampf ein) – wird aber nicht verbraucht. Die Leber baut vermehrt Stärke ab. Alles zusammen (- Insulin / + Glucose / + Stärke) führt bei Dauerstress zu ständig erhöhtem Blutzuckerspiegel (weil der Körper solche Mengen an Zucker nicht verbrennt ohne die Reaktionen unserer Vorfahren wie wütendes Draufschlagen oder panisches Davonlaufen).
  • Zudem setzt Dauerstress einen Fett-Zyklus in Gang, denn Insulin arbeitet auch als Türöffner für Blutfett in Richtung Abspeichern (Fettpolster anlegen).

Speckröllchen werden zu Fettwülsten – ein gestresster Mops greift zur Schokolade als Tröster. Dieser setzt eine dopaminerge Belohnungsschleife mit kurzzeitigem Glücksgefühl in Gang, an deren Ende aber der o. g. Zucker-Fett-Zyklus steht, weil kein Süßmaul so viel Energie verzappeln kann.

ABER: Schutzfaktoren vor Stress

Die Annahme, dass sich ein Kind aus einer Risikofamilie (d.h. aus risikoreichen sozio-ökonomischen Bedingungen) zwangsläufig zum Versager entwickelt, kann anhand von wiss. Langzeitstudien widerlegt werden – beginnend um 1940. Dabei kristallisieren sich Schutzfaktoren heraus, die stressmindernd und Widerstandsfähigkeit steigernd wirken:
Erstmals (u. deshalb hier angeführt) finden die Kinderpsychologin und Resilienz-Forscherin Emmy Werner (auch “Mutter der Resilienz- Forschung” genannt) und ihre Kollegin Ruth Smith von der University of California in Davis solche Schutzfaktoren in ihrer bekannten “Kauai-Studie”. In dieser Langzeitstudie über 40 Jahre (Veröffentlichungen dazu ab 1982) mit verarmten / vernachlässigten / misshandelten Kindern der Insel Kauai (zu Hawai gehörend) gab es einzelne Vertrauenspersonen innerhalb und außerhalb der Kernfamilie mit “Schutzengel-Funktion”:
Sie gaben den Kindern Halt und stärkten damit ihre Widerstandskraft – dauerhaft bis ins Erwachsenenalter (ohne delinquent zu werden; sozial integriert): u. a. ältere Geschwister, Tanten und Großeltern. Andere Resilienzforscher eruieren auch Lehrkräfte als Bezugspersonen und gute Sozialbeziehungen in der Gemeinde.
Bei diesen “Nah-Personen” greifen die gleichen Wirkfaktoren wie bei sicheren Bindungen zu Mama und Papa: Die Bezugspersonen stärken ein Kind durch Verlässlichkeit bezügl. dessen Hygiene- / Ernährungs- / Schutzbedürfnissen von Geburt an und vermitteln damit Geborgenheit.

Abbildung 2
Zweijähriger Enkel mit seinem Opa beim Vorlese-Ritual

Derzeit gewinnen Großeltern als zusätzliche Nah-Menschen zunehmend an Wichtigkeit für junge Familien / allein Erziehende / deren Kinder und sie entdecken, wie sie selbst durch aktive Großelternschaft ihre Ressourcen allseitig stärken können:

  • Aus Elternsicht: Die großelterliche Betreuung wirkt entlastend.
  • Aus Enkelsicht: Als “Enkels Lieblinge” werden Großeltern von denen vorrangig beschrieben als liebevoll, tolerant, humorvoll und zugewandt – denn sie bilden für die Enkel eine emotionale Wiege (Ort unerschütterlicher Geborgenheit): Hier wird mir zugehört. Ich bin wichtig.
  • Aus Großelternsicht: Eine aktiv gelebte Großelternrolle wirkt wie ein Anti-Aging-Paket.

Buch-Tipp: Jackel, B. (2010). Enkel und Großeltern. Wie Generationen voneinander profitieren. Idstein: Schulz-Kirchner.

Fazit:
Nicht die Existenz eines Familiengefüges oder eines anderen Sozialverbundes (auch der Institution Schule / Hort) an sich wirkt schützend, sondern es kommt darauf an, was in diesem Gefüge geschieht; wie man miteinander umgeht.

Was wirkt de-eskalierend ?
Es gibt verschiedene Stufen der De-Eskalation:

Bei den Ein-Meterbrett-Springern Lisa und Benjamin rast das Erschrecken erst einmal durch das ganze Gehirn.

  • Hier ist zunächst de-eskalierend auf die Kinder einzuwirken (Zuspruch; Tiefenatmung) im Sinne von “Runter von der Palme” (Stufe 1): eine kurzzeitige Entspannung nach der Alarmreaktion, um dem Denkhirn der Kinder die Chance zu geben, sich gedanklich neu auszurichten; ... die Regie wieder zu übernehmen; ist nicht gleichzusetzen mit anhaltender Ausgeglichenheit.

Dann wird gemeinsam nach einem gangbaren Weg gesucht: Kettenspringen vom Rand; Schwimmlehrerin springt mit d. Kind)

  • Innere Balance (Stufe 2) als anhaltende Ausgeglichenheit / Harmonie kann sich erst einstellen, wenn im Tagesrhythmus ein gesunder Wechsel zwischen Phasen des An- und Entspannens vorherrscht.

Der Weg zu einem dauerhaften Zustand innerer Balance besteht aus einzelnen Bausteinen. Sie liegen teils alleine im Verantwortungsbereich des Elternhauses (z. B. ausreichend Schlaf); sie sollten – wo möglich – auch integrale Teile institutionalisierten Betreuens und Lernens sein, damit die kindlichen Gehirne optimal lernen können, denn gestresste Gehirne bleiben unter ihren Lern-Möglichkeiten.

Bausteine für innere Balance

Abbildung 3
Zur inneren Balance finden Teil 1

Richtige Ernährung für Kinder sorgt für ein Gleichgewicht im Säure-Basen- Haushalt; meidet Fast Food und Funktional Food sowie eine Übersäuerung. Statt dessen setzt die Familie auf reichlich sekundäre Pflanzenstoffe in Obst und Gemüse mit bioaktiven Substanzen (basisch) und ausreichend zuckerfreie Getränke. (Dem Schoko-Kick würde der fatale Fett-Zucker-Zyklus folgen und auch zur Übersäuerung beitragen.)
Pädagogische Settings für Schule / Hort: gemeinsames Frühstück, bei dem jeder etw. Gesundes beisteuert; mit den Kindern gesunde Kost zubereiten und über richtige Ernährung altersgemäß sprechen.

Bewegungsvielfalt stärkt Muskeln, Sehnen, Bänder, Skelett, Organe und treibt den Stoffwechsel an, so dass vermehrt Hormone und Botenstoffe durch den Organismus transportiert werden, wodurch sie rascher und damit effektiver wirken können. Ausagieren, um entspannt sein zu können nach dem MOTTO: “Ich hopse wie ein Gummiball, bis ich entspannt zu Boden fall.”
Motorik wirkt förderlich auf alle Persönlichkeitsbereiche:
am Beispiel Trampolin-Hopsereien
“Ich hüpfe wie ein Gummiball, hier und da und überall ... hier und da und nirgends; ... Mäusekind... ganz geschwind ... hier u. da mit Rückenwind; ich hüpfe wie ein Wasserfloh, hier und da und auf dem Klo; ... niegendwo“

Abbildung 4
Motorik als Medium:
alle Persönlichkeitsbereiche werden mit-gefördert

Gelungene Bewegung stimmt positiv, macht sprechbereit, kontaktfreudig und flexibel handlungsfähig; z. B.:

  • Klatschspiele wie “Bei Müllers hats gebrannt...”
  • Sing-Spiele / Rhythmikspiele, wie “Jetzt steigt Hampelmann”, wo
  • Sprache (auch Nonsens) – Melodie – Bewegung – zusammentreffen mit einem Rhythmus als Brückenglied; denn Rhythmus synchronisiert (macht aus Individuen eine Gruppe); holt alle ab und zieht sie mit (vgl. Pos. Denken).

Abbildung 5
Zur inneren Balance finden Teil 2

Wohlfühl-Atmosphäre entsteht durch Licht, Farben und Nischen zum Zurückziehen. Viele Kinder reagieren positiv auf ein helles Blau und Türkis, weil sie sich im Wasser wohl fühlen. Ängstliche Kinder mit häufigen Magenschmerzen brauchen ein Gelb oder Orange zur Stärkung ihres Oberbauch-Raumes. Überladene Lern- und Gruppenräume und über-dekorierte Wände eignen sich wenig, um zu innerer Balance zu finden, z. B. Cluster an Nikoläusen ...
Pädagogisches Setting für Schule / Hort: für Rückzugsmöglichkeiten sorgen; im kleinsten Raum kann eine “Höhle” unter / hinter Sofa und Tisch oder ein aufgespannter Sonnenschirm / mehrere Regenschirme zwischenzeitlich zur Nische werden (Lese- u. Erzähl-Nischen); Lesen + Vorlesen dienen hier als “Ruhe”-Rituale.

Positives Denken entsteht aus einer bejahenden Grundhaltung heraus und aus der Fähigkeit, Umweltreize angemessen zu interpretieren. Dabei wirken Eltern / Großeltern / Pädagogen als Vorbilder; denn Ängste und Stimmungslagen werden übernommen. Es entsteht auch unter harmonischem Umgang der Bezugspersonen untereinander und mit dem Kind: Geht es der Bezugsperson schlecht, dann auch dem Kind. Sicher gebunden bedeutet – geborgen – seiner Selbstwirksamkeit bewusst – gesteigertes Selbstwertgefühl. Positives Denken entsteht auch, wenn Copping-Strategien gepflegt werden.
Pädagogische Settings für Schule / Hort: z. B. Mutmach-Sprüche einüben (als Copping-Strategie); als Hilfen zur Selbsthilfe, um sich selbst auf das Gelingen eines Vorhabens zu programmieren; wie:

  • Schildkröten-Denke: “Eile mit Weile / Stück für Stück / eins nach dem andern / was ein Glück.” oder: “mit mehr Geschick”
  • Koalabären-Philosophie: “Blatt für Blatt / kau mich satt. / Such nen Ast, / halte Rast. / Schlafe fest / im Geäst.”

Z. B. : Sich bewegen und sprechen / singen und musizieren (vgl. Rhythmus der Kinderlieder: synchronisiert positiv)

Zeit: Beziehung und Erziehung brauchen Zeit, weil Verhaltensänderungen generell Zeit brauchen; gemeinsame Zeit zur Vertrauensbildung nutzen; (in einem Familienklima der Unruhe spricht ein Kind nicht über das, was es bedrückt und stresst); d. h. dem Kind regelmäßig Zeit widmen, bedeutet: sich den Interessen des Kindes zuwenden, es dabei bewusst wahrnehmen, ihm vermitteln “Ich höre Dir zu. Du bist mir wichtig.”
Pädagogische Settings für Schule / Hort: Zeit geben und Geduld bewahren, indem Klein + Groß einander zuhören, über Sorgen sprechen, konstruktive Vorschläge zur Situationsbewertung diskutieren, einen Lösungsplan austüfteln, lösungsorientiert handeln (Beisp: 1m-Brett-Sprung; erst Beckenrandspringen i. Sitzkette).

Stille-Übungen in Form von kindlichen Entspannungsspielen werden dem Alter, den Bedürfnissen der Kinder und den situativen Gegebenheiten angepasst; wirken sedierend / “Runter von der Palme” / wohltuende Ruhepausen. Das bedeutet viel für die Kinder, für die Betreuer / Lehrkräfte, für das gemeinsame Miteinander. Pathologische Verhaltensmuster bedürfen therapeutischer Behandlung; Ursachenbehandlung.

Abbildung 6
Entspannungsspiele

1. “Spürspiele”

  • Es gibt “Spürspiele”, welche die Haut ansprechen: z. B.
    Spiel-Massagen auf der Haut sorgen mit “Kribbel-Krabbel-Erlebnissen” für sensorisches Stimulieren.
  • Es gibt “Spürspiele”, welche die Muskeln ansprechen; z. B. Muskelspiele sorgen für wechselseitiges An- und Entspannen einzelner Muskelgruppen und lösen Verspannungen (Progressive Muskel-Relaxation); z. B. mit “Fingerspielen” verkrampfte Kinderhände wieder schreibfähig machen; fausten – loslassen: im Spiel als Socken ausdrücken, auswringen – loslassen und nachspüren.

2. “Denkspiele”

  • Es gibt “Denkspiele” mit vorgestellten Wahrnehmungen (Imaginationen / Fantasiereisen). Solche Fantasiegeschichten transportieren Heile-Welt-Vorstellungen oder zumindest angenehme Vorstellungen, welche die kindliche Sehnsucht nach Geborgenheit befriedigen.
  • Es gibt “Denkspiele” mit bewusster Steuerung durch das Denkhirn (den präfrontalen Kortex), um sich selbst auf Gelingen zu programmieren: Sie arbeiten z. B. mit Wärme-, Schwere- und Ruhe-Formeln wie beim Autogenen Training oder mit Mutmach-Sprüchen (siehe Pos. Denken: Schildkrötenblues).

3. “Bauchatemspiele”

Sie arbeiten mit bewusstem, tiefem Ein- und Ausatmen – Effekt: erhöhte Sauerstoffaufnahme in den unteren Lungenregionen – folglich: verbesserter Stoffwechsel in den Zellen des Organismus mit parasympathischer Reaktion. Es gibt Bauchatemspiele im Liegen – im Kutschersitz – im Stehen. Sie sind unscharf trennbar von Spür- und Denkspielen, denn alle Entspannungsspiele enthalten den Parameter “Bauchatmung” resp. können ihn enthalten.

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